Bedeutung der Winterquartiere zu den Schwärmzeiten der Fledermäuse
Die Kenntnis geeigneter Winterquartiere ist für Fledermäuse überlebenswichtig. Im Frühjahr und im Herbst bilden sie im Umfeld der späteren Winterquartiere auffällige Schwärmgemeinschaften, die in Abhängigkeit von der Güte und Größe des Quartieres sehr hohe Individuenzahlen erreichen können. Hierbei erfolgen immer wieder Einflüge in das Quartier als Rückversicherung, dass es noch vorhanden ist und für den kommenden Winter bereit steht. Die akustisch (zumindest für Fledermäuse) sehr auffälligen Schwärmgemeinschaften dienen zugleich der Weitergabe dieser Information an die Jungtiere, aber auch zur Partnerfindung.
Zur Bestimmung der Zusammensetzung der Schwärmgemeinschaften an den überregional bedeutenden lippischen Winterquartieren im Bereich von Egge und Teutoburger Wald wurden 2011/2012 im Rahmen eines Forschungsprojektes an den lippischen Höhlen und im Umfeld des nicht kontrollierbaren Spaltensystemes in den Steilwänden des Steinbruches Silberort 26 Fledermaus-Netzfänge durchführt. Die gefangenen Fledermäuse wurden unter Beachtung artenschutzrechtlicher Erfordernisse schonend mit Nagellack an den Krallen farbig markiert und umgehend wieder freigelassen. Bei Wiederfängen konnte so eine Zuordnung zur Fangnacht und zum Fangort erfolgen. Parallel zu den Netzfängen wurden die Fledermausrufe im Umfeld der Quartiere mit automatischen Registrierungseinheiten aufgezeichnet zur qualitativen und quantitativen Analyse der akustischen Fledermausaktivitäten im Umfeld der Fangareale.
Ziel der Untersuchung war die Klärung folgender Fragen:
Gibt es Unterschiede in der Zusammensetzung der schwärmenden Fledermausgemeinschaften im Vergleich zu den Zählungen in den Winterquartieren?
Gibt es einen Austausch zwischen benachbarten Schwärmgemeinschaften?
Welche Bedeutung haben die Strukturen der Winterquartiere für Fledermäuse außerhalb der winterlichen Ruhephase?


Größe der Schwärmpopulationen
2011 wurden in 26 Fangnächten an den 5 verschiedenen Standorten 3082 Fledermäuse von acht verschiedenen Arten gefangen. Hierbei wurden am Fangort in derselben Fangnacht noch weitere Male gefangene Fledermäuse nur einmal gezählt. Wiederfänge von an anderen Orten oder in Vornächten gefangene Fledermäusen wurden dagegen berücksichtigt.
Dominante Art war mit 1588 Fänglingen die Fransenfledermaus, mit weitem Abstand gefolgt vom Großen Mausohr (540). Mit Ausnahme der Zwergfledermaus wurden alle gefangenen Arten auch im Winterquartier nachgewiesen.
Die Größenordnung der Schwärmpopulation am Sandsteinbruch Silberort mit 714 in nur drei Fangnächten gefangenen Tieren deutet daraufhin, dass die Qualität dieses Quartiers für Fledermäuse durchaus mit der der Hohlsteinhöhle zu vergleichen ist.
Die Schwärmpopulationen sind deutlich größer als die bei den Winterkontrollen festgestellten Anzahlen.
Die Winterkontrollen geben nur ein unzureichendes Bild der wahren Bedeutung der Quartiere wieder, weil nur der sichtbare Anteil der anwesenden Fledermäuse erfasst wird.
Der Vergleich der Dominanzstruktur der Schwärmgemeinschaften im Vergleich zu den Winterpopulationen zeigt, dass die häufigste Schwärm-Art, die Fransenfledermaus, bei den Winterkontrollen nicht ausreichend erfasst wird.
Die Fangzahlen an optisch nicht kontrollierbaren Spalten in geologischen Aufschlüssen (Sonnenloch 276, Silberort 714 Tiere in 3 Fangnächten) zeigen, dass die Bedeutung dieser Quartiere für überwinternde Fledermäuse völlig unterschätzt wird und z.t. durchaus den großen Höhlenbildungen der Region entsprechen kann.

Phänologie der herbstlichen Schwärmphase
Da nicht alle Fledermausarten gleichzeitig Schwärmgemeinschaften bilden, verschieben sich im Verlauf der Saison die Dominanzverhältnisse. Auf die Schwärmzeit der Bartfledermäuse in der ersten Augusthälfte folgt die Schwärmphase der Wasserfledermäuse, bis dann im September das Schwärmgeschehen von der Fransenfledermaus bestimmt wird. Mit Werten zwischen 15 und 40 % je Fangnacht hat das Große Mausohr eine zeitlich weit ausgedehnte Schwärmphase, die von August bis mindestens Ende September dauert. Da im Oktober keine Netzfänge durchgeführt wurden, kann eine Ausdehnung der Schwärmzeit in Richtung Winter nicht ausgeschlossen werden.
Austausch zwischen den Schwärmpopulationen
Die mit 3,08 % sehr geringe Wiederfangrate in derselben Fangnacht am Fangort könnte durch einen sehr schnellen Austausch der anwesenden Fledermäuse, durch Lerneffekte oder durch die Größe der Schwärmpopulationen und einer entsprechend geringen Wiederfang-Wahrscheinlichkeit begründet sein. Lediglich 0,44 % (= 14 Tiere) aller gefangenen Fledermäuse konnten an zwei oder mehreren Schwärmorten gefangen werden. Selbst zwischen nur 175 m auseinander liegenden Schwärmbereichen konnten nur 10 Fledermäuse (von insgesamt 2134 vor beiden Quartieren gefangenen Tieren) in beiden Schwärmpopulationen nachgewiesen werden.
Literatur
A. Fölling, R. Reifenrath, A. Becker und M. Füller (2013): Zur Bedeutung der Höhlen im lippischen Eggvorland als Schwärmquartiere für Fledermäuse. Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgegend, S. 142-155.