NSG Rinnenberg

Gebietsbeschreibung

Das 53 ha große NSG liegt in der Gemeinde Extertal in der Nähe des Dorfes Bremke im Nordosten des Kreises Lippe. Im Norden und Süden wird der spornartig nach Südwesten vorspringende Rinnenberg mit seinem plateauartig ausgebildeten 201 m hohen Bergrücken von Bächen umschlossen. Die steilen Hangbereiche und die Kuppe des Rinnenberges sind von Waldgesellschaften bedeckt, der östliche Bereich hingegen wird landwirtschaftlich genutzt. 

Kernbereich des NSGs sind die auf dem steilen Südwesthang ausgebildeten, rund 5 ha umfassenden ehemaligen Niederwaldgesellschaften. Über Jahrhunderte wurden hier die Bäume in kurzen zeitlichen Rhythmen (20-40 Jahre) immer wieder geschlagen und so ausschlagfähige Gehölzarten, wie Hainbuche und Traubeneiche, besonders gefördert. Auffällig ist ein auf der Kuppe des Rinnenberges wachsender Traubeneichenwald mit bizarr geformten, breitkronigen Bäumen. Hier wurde zusätzlich zur Brennholzgewinnung Eichenrinde für die Lohgerberei geschält. Die Niederwaldgesellschaften des Rinnenberges beherbergen mit über 400 Exemplaren das größte Elsbeer-Vorkommen des Weserberglandes. Die Licht und Wärme liebende Elsbeere erreicht bei uns die Nordgrenze ihrer Verbreitung. Der nordwestlichste Fundort auf dem europäischen Festland liegt nur etwa 20 km entfernt bei Porta Westfalica. Die Elsbeere kommt an ihrer nördlichen Arealgrenze nur in Verbindung mit der Niederwaldbewirtschaftung vor. Diese ursprünglich in Lippe nicht heimische Baumart wächst in unserem Klima nur sehr langsam und wird in den Hochwäldern durch Ausdunkelung verdrängt. Mit dem Niedergang der Niederwaldwirtschaft wurde die Elsbeere zunehmend von der Buche verdrängt. Da am Rinnenberg die Niederwaldnutzung vor ca. 70 Jahren eingestellt wurde, herrschten hier für die Elsbeeren schlechte Wachstumsbedingungen, die in geringen Stammdurchmessern und einer schwach entwickelten Beastung deutlich werden.

Durch die jahrhundertelange Niederwaldwirtschaft hat sich auf den flachgründigen Steilhängen des Rinnenberges mit nährstoffarmen, aber basenreichen Böden eine besondere, vom Menschen unbewusst geförderte Waldgesellschaft entwickelt. Neben der Elsbeere gehören hierzu weitere licht- und wärmeliebende Arten, wie Wald-Labkraut, Pfirsichblättrige Glockenblume, Lungenkraut, Sanikel, Mannsknabenkraut, Schwarze Teufelskralle und Duftende Schlüsselblume. Voraussetzung der langfristigen Erhaltung dieser Waldgesellschaft ist die Wiederaufnahme der historischen Niederwaldnutzung. Zusammen mit der Elsbeere würden wir sonst eine über viele Jahrhunderte unsere Kulturlandschaft prägende, besonders angepasste Artengemeinschaft verlieren. Der Schutz und die Erhaltung der Niederwald-Lebensgemeinschaft sind somit nicht Aufgabe für Museen, sondern aktiver Naturschutz.

Was ist ein Niederwald?

Unsere Vorstellung, wie ein Wald auszusehen hat, ist von den heutigen Buchen-Hallenwäldern geprägt. Wegen der erreichten Wuchshöhen werden diese Wirtschaftswälder als Hochwälder bezeichnet. Allenfalls die Bilder der Landschaftsmaler des 18. und 19. Jahrhunderts zeigen, dass Wälder früher oft ganz anders ausgesehen haben. Aber so weit müssen wir gar nicht zurückgehen. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war in Lippe noch ein völlig anderer Waldtypus weit verbreitet: der Niederwald. 

Hier wurde in regelmäßigen Abständen – etwa alle 10–20 Jahre – Holz geschlagen, das überwiegend als Brennholz genutzt oder in Meilern zu Holzkohle verarbeitet wurde. Wie bei der Heckenpflege entwickelten sich am Stammrest oder im Wurzelbereich der gefällten Bäumchen zahlreiche Stockausschläge. Da die Ausschlagfähigkeit der einzelnen Gehölze unterschiedlich ist, veränderte sich durch jahrhundertelange Nutzung die Baumartenzusammensetzung. Neben der Hasel waren in den Niederwäldern Hainbuche, Trauben- und Stieleiche besonders verbreitet.

Zur Deckung des gewaltigen Brennholzbedarfes waren Niederwälder früher weit verbreitet. Noch 1925 werden für Westfalen und Lippe 110.000 ha angegeben. Mit dem unaufhaltsamen Siegeszug von Steinkohle und Erdöl wurden jedoch innerhalb weniger Generationen fast alle Niederwälder in Lippe in Wertholz produzierende Hochwälder umgewandelt. Lediglich auf forstwirtschaftlich uninteressanten Standorten blieben letzte Niederwaldreste erhalten, die aber aufgrund der fehlenden Nutzung zunehmend ihren spezifischen Charakter verlieren.

Gebietsmanagement

Im Mittelpunkt des im Jahr 1998 von der Biologischen Station Lippe aufgestellten Pflege- und Entwicklungsplanes steht die Revitalisierung der Niederwaldgesellschaften am Rinnenberg. Seit 1996 führen wir regelmäßige Kartierungen und Effizienzkontrollen am Rinnenberg durch.

 

Niederwaldpflege

Zur Revitalisierung der Niederwaldgesellschaften haben wir auf 1/5 der ehemaligen Niederwaldfläche die historische Waldbewirtschaftung wiederaufgenommen. Die nach 70jähriger Ruhephase notwendige Erstpflege wurde in den Jahren von 1999 bis 2002 auf vier benachbarten Schlägen auf dem Südwesthang durchgeführt. Hierbei wurden auf einer insgesamt 0,6 ha großen Fläche die durchgewachsenen älteren Bäume entnommen. Hierdurch sollen die ausschlagfähigen Gehölzarten wieder besonders gefördert werden. Ausgenommen vom Schlag wurden einige für die Naturverjüngung wichtige ältere Eichen und natürlich alle Elsbeeren. Durch die Freistellung der Elsbeeren erhalten sie wieder genügend Licht zum Wachstum und zur Samenbildung.

Langfristig soll auf den vier Schlägen wieder eine gestaffelte Niederwaldwirtschaft aufgenommen werden. Die Unterteilung in vier Schläge ermöglicht die Entwicklung unterschiedlich alter Niederwaldbestände. Somit sollen die typische Charakteristik des Niederwaldes, die Ausbreitung der Elsbeere und der Bestand der wärmeliebenden Begleitarten gesichert werden.

Nach 17 Jahren sind im ersten Schlagbereich durch die aufwachsenden Bäume die brombeerreichen Zwischenstadien weitgehend verdrängt worden. Um den zeitlichen Abstand der verschiedenen Schlagbereiche zueinander zu erhöhen, haben wir deshalb im Jahr 2016 den nächsten Abtrieb des Schlages 1 durchgeführt. Die nächsten Schläge sollen dann in Fünf Jahresrhythmen zeitlich versetzt erfolgen.

Entwicklungsmaßnahmen im Wald erfordern Geduld, 17 Jahre nach der Erstpflege waren die Niederwaldgesellschaften am Rinnenberg endlich so weit aufgewachsen, dass der Einstieg in die geplanten 20- bis 25-jährigen Nutzungsrhythmen erfolgen konnte. Die ursprünglichen Entwicklungsunterschiede der in enger zeitlicher Folge freigestellten vier Schlagbereiche waren kaum mehr zu erkennen.

Während wir Ende der 1990er Jahre die Maßnahmen am Rinnenberg mit z. T. aus der Forstwirtschaft kommenden Zivildienstleistenden und ABM-Kräften noch in Eigenregie durchführen konnten, mussten wir die schweren Arbeiten am für Maschinen nicht zugänglichen Steilhang diesmal an Lohnunternehmer vergeben. 

Die Tatsache, dass zwei der angeschriebenen Lohnunternehmer bei einer Ortsbesichtigung dankend abwinkten, verdeutlicht, welche Leistungen "unsere Jungs" damals vollbracht haben! Letztendlich wurden die Arbeiten von der Firma Mirco Hundertmark aus Lügde vorbildlich durchgeführt! Damit schloss sich ein Kreis: Mirco war als Zivildienstleistender bereits bei der Erstpflege am Rinnenberg dabei!

Wir freuen uns, dass wir im Herbst 2024 die Niederwaldbewirtschaftung auf dem zweiten Teilstück fortführen konnten. Zusätzlich zu den Gehölz Arbeiten wurde ein alter Wildschutzzaun zurück gebaut, der die einzelnen Parzellen des Niederwaldes umfasst. Der Zaun wurde nach der Wiederaufnahme der Niederwaldbewirtschaftung vor über 20 Jahren errichtet, um die Stockausschläge vor allem der Elsbeeren zu schützen. Der Zaun war an vielen Stellen defekt und nun vielmehr eine Gefahr für Wildtiere. Beobachtungen zeigen außerdem, dass die Gehölze an dem Standort auch sehr gut ohne den Verbiss Schutz zurecht gekommen sind. Die Durchführung der Arbeiten wurden erneut von der NRW-Stiftung gefördert.

Wie geht es weiter?

Die links angrenzenden Schlagbereiche werden jeweils in 5 Jahresabständen auf den Stock gesetzt. Wenn der Pflegerhythmus im Jahr 2036 wieder bei Schlag 1 angekommen ist, ergibt sich ein Altersunterschied von 20 Jahren.

Kooperation

Mit dem Erwerb der ersten Teilflächen hat der Naturschutzbund (NABU) Lippe mit Unterstützung derNordrhein-Westfalen-Stiftung 1993 den ersten Schritt zur langfristigen Sicherung der Waldgesellschaften des Rinnenberges getan. Seitdem wird das 1998 von der Biologischen Station Lippe erarbeitete Entwicklungskonzept von der Ortsgruppe Extertal und der Biologischen Station Lippe umgesetzt.

Die notwendigen Gehölz Arbeiten im Rahmen der Fortführung der Niederwaldbewirtschaftung werden von der NRW-Stiftung gefördert. 

Literatur

In der vom Lippischen Heimatbund herausgegebenen Reihe zu den lippischen Kulturlandschaften ist im Dezember 2009 ein Heft zur Niederwaldbewirtschaftung auf dem Rinnenberg erschienen.

Rinnenberg bei Extertal-Bremke
aus der Reihe: Lippische Kulturlandschaften, Heft 11 Preis: 2,50 €
Autoren: Füller, Matthias; Rahns, Andreas; Schultz, Hartwig; Steinheider, Klaus
Bezug: Lippischer Heimatbund oder Biologische Station Lippe

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