Schilfproblematik am Norderteich
Der Norderteich bei Horn Bad Meinberg wurde bereits im 13. Jahrhundert als künstliches Fischzuchtgewässer angelegt und war bis in die 1950er Jahre das größte stehende Gewässer im heutigen Kreis Lippe. Mit seinen artenreichen Wasserpflanzengesellschaften und den ausgedehnten Röhrichten war er berühmt für eine reiche Vogelwelt. Bereits 1926 gab es erste Versuche das wertvolle Gebiet unter Schutz zu stellen. Heute sind der Norderteich und seine Umgebung Bestandteil des NSG Napteaue mit Norderteich.
Bereits Ende der 1960er Jahre wurde wegen der zunehmenden Abtrocknung und Auflösung der Röhrichte in den Verlandungszonen des Teiches vom Landesverband Lippe eine Entschlammung der Ostbucht vorgenommen, ohne dass danach eine wesentliche Regeneration des Schilfes zu beobachten gewesen wäre. Seit den 1990er Jahren hat sich der Rückgang der Röhrichte auch an den übrigen Ufern stark beschleunigt. Stattdessen ist eine kontinuierliche Ausweitung der Gehölze zu beobachten. Besonders auffällig sind die seeseitig den Röhrichten vorgelagerten Grauweidengebüsche und junge Erlen, die sich zunehmend ausbreiten und geschlossene Gehölzsäume ausbilden.
Aktuell sind von ehemals ca. 6,9 ha Röhrichten um 1960 nur noch 1,9 ha erhalten. Für die Artenvielfalt des Gebietes ist das ein großes Problem. Die Röhrichtsäume sind wichtiger Lebensraum für Vogelarten (u.a. Teichrohrsänger, Sumpfrohrsänger, Drosselrohrsänger, Rohrammer, Rohrweihe und Wasserralle). Darüber hinaus können sich in ihrem Schutz Libellen- und Amphibienlarven, aber auch Fischbrut erfolgreich entwickeln.
Was sind die Ursachen dieser Entwicklung?
Eine Auswertung der Luftbilder der Vorjahre zeigt, dass das Trockenfallen des Norderteiches im regenarmen Sommer 2022 infolge von Undichtigkeiten im Ablassbauwerk nicht ursächlich für diesen Rückgang gewesen ist. Das Schilf war bereits vorher weg!! Schon im Jahr 2008 sind an der Wasserkante vor den immer schmaler werdenden Schilfsäumen erste Gehölzgruppen zu erkennen.
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand kommen vor allem 2 Mechanismen in Frage:
Zunehmende Wasserstandsschwankungen im späten Frühjahr
Aufgrund des geringen Einzugsgebietes des Norderteiches reichen die Niederschläge in trocken-warmen Jahren nicht aus, um den Wasserstand konstant zu halten. Oft fallen mit dem sinkendem Wasserspiegel bereits im Mai/Juni zur Fruchtzeit der Weidengehölze schmale Säume zwischen dem Schilf und der freien Wasserfläche trocken.
Die feuchten, nährstoffreichen Schlämme bilden ideale Keimbetten für die mit dem Wind verbreiteten Weidensamen. Sie können hier innerhalb von 24 Stunden keimen und bereits im ersten Jahr eine Höhe von > 1 m erreichen. Die schnell in die Höhe wachsenden jungen Weiden sind dem sich langsam über Ausläufer ausbreitenden und später im Jahr Samen bildenden Schilf überlegen und können diese kurzfristig verfügbaren Flächen deshalb effektiv besiedeln. Im geschlossenen Schilfbestand haben die kleinen Weidensamen demgegenüber keine Chance.
Die ergiebigen Niederschläge der Jahre 2023/24 ermöglichten einen dauerhaft hohen Anstau des Teiches, so dass aktuell die Erlengehölze, aber auch erste Weidenbüsche an der Wasserkante wieder absterben. Wenn sich aber Trockenperioden wie 2018-2022 wiederholen, wird sich die Balance vermutlich wieder zugunsten der Weiden verschieben. Hier wird deutlich, wie vielfältig die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Landschaft sind.
Gänsefraß
Die Zahl der Gänse hat am Norderteich, wie an fast allen Stillgewässern von Nordhrein-Westfalen, in den letzten 20-30 Jahren enorm zugenommen. In der Regel handelt es sich nicht um ziehende Gänse, sondern um z.T. auf Auswilderungen zurück gehende, dauerhaft in der Region anwesende Bestände. Abgesehen von der 5-10 Paare umfassenden Brutpopulation halten sich in den Sommermonaten regelmäßig zwischen 80 und 120, maximal bis zu 200 Graugänse hier auf.
Für die Gänse bietet die große Wasserfläche einen sicheren Ruheraum in der Nacht. Ein großer Teil nutzt aber zusätzlich vor allem von Mai bis August, wenn die frischen saftigen Pflanzentriebe erscheinen, die leicht zugängliche Außenseite der Schilfsäume zur Nahrungssuche. Diesen Fraß können die Schilfpflanzen in einem gewissen Maß kompensieren. Fressen allerdings zu viele Gänse an einem Schilfgürtel, so wird das Schilf geschädigt. Die Pflanzen wachsen weniger stark und dicht nach und können sich entlang der Wasserkante nicht mehr ausbreiten.
Was ist zu tun?
Aktuell führt der Landesverband Lippe eine grundlegende Sanierung des Stauwalles am Norderteich durch, mit dem Ziel Wasserverluste durch Versickerung möglichst zu vermeiden. Welche Bedeutung gleichmäßig hohe Wasserstände haben, zeigt die Entwicklung nach den ergiebigen Niederschlägen der Jahre 2023/24. Infolge des dauerhaft hohen Anstaues sterben aktuell die Erlengehölze, aber auch erste Weidenbüsche, an der Wasserkante wieder ab.