Bedeutung der Felsklippen und Höhlen im Gebirgszug von Teutoburger Wald und Egge als Winterquartiere für Fledermäuse

Die Spalten und Höhlen der Kreideformationen von Teutoburger Wald und Eggegebirge beherbergen bedeutende Winterquartiere für Fledermäuse. Neben der überregional bekannten Hohlsteinhöhle zählen hierzu u.a. Lukenloch und Kellerloch im NSG Bielsteinschlucht, zahlreiche geologische Aufschlüsse und ehemalige Steinbrüche im Bereich der Egge. Seit dem Jahr 2006 werden die begehbaren Quartiere mit Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Lippe durch die ehrenamtliche Fledermausarbeitsgruppe der Biologischen Station Lippe regelmäßig kontrolliert.

In einem von der Stiftung für die Natur Ravensbergund der Kurt-Lange Stiftung (Bielefeld) geförderten Forschungsprojekt wurden vom 01.03.2011 - 31.12.2012 darüber hinaus gehende intensivere Untersuchungen durchgeführt.Im Vordergrund standen hierbei

 

eine Abschätzung der Bedeutung der Fledermaus-Winterquartiere des Gebirgszuges

  • Wie groß sind die Überwinterungsgemeinschaften?
  • Wann findet die Besetzung der Quartiere statt?
  • Welche Arten nutzen die verschiedenen Quartiere?
  • Wie verändern sich die Besiedlungszahlen im Jahresverlauf?
  • Gibt es eine Abhängigkeit vom saisonalen Wetterverlauf oder mikroklimatischen Parametern in den Quartieren?

 

und die Frage welche Bedeutung die Quartiere zu den Schwärmphasen der Fledermäuse im Herbst haben.

  •  Zusammensetzung und Größe der Schwärmgemeinschaften
  •  Erfolgt ein Austausch zwischen räumlich benachbarten Schwärmgemeinschaften?
  •  Erfolgen auch im Sommerhalbjahr Einflüge in die Winterquartiere?

 

 

Bedeutung als Winterquartiere für Fledermäuse

 

Im Übergangsbereich zwischen dem aus klüftigen Kalksteinen gebildeten westlichen Eggevorland und dem aus Sandsteinen der Unteren Kreide gebildeten Gebirgszug der Egge befinden sich in enger räumlicher Nachbarschaft mehrere überregional bedeutende Fledermaus-Winterquartiere. Hierzu gehören u.a. mit der Hohlsteinhöhle die größte Höhle des Kreises Lippe, aber auch kleinere Höhlenbildungen wie Lukenloch und Kellerloch. Wenngleich seit längerem bekannt ist, dass auch in den Spalten des Steinbruches Silberort Fledermäuse überwintern, gibt es zur Bedeutung dieser nicht kontriollierbaren Quartiere keine weiteren Daten. Dies trifft umsomehr zu für weitere in der Umgebung liegende, nur wenigen bekannte Spalten und Hohlraumbildungen.

Zeitliche Veränderung der Zahl sichtbarer Fledermäuse im Winterquartier

Während der Dauer des Forschungsprojektes wurde die Zahl der Kontrollen der Winterquartiere deutlich erhöht.

Die Auflistung der 19 Kontrolldaten im Jahresverlauf für den Zeitraum vom 03.12.2011 bis zum 30.03.2012 zeigt, dass die Zahl der bei den Kontrollen sichtbaren Fledermäuse gegen Ende Februar deutlich ansteigt. Diese Zunahme ist im Wesentlichen auf das Große Mausohr zurückzuführen.

Diese Art hängt dann in großen Clustern an den Felswänden und ist im Gegensatz zu den kleineren, überwiegend in Felsspalten verborgen Arten vergleichsweise gut zu erfassen.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wird seitdem pro Jahr nur noch eine Winterkontrolle Ende Februar / Anfang März durchgeführt, weil in diesem Zeitraum die Maximalzahl der überwinternden Mausohren erfasst werden kann.

 

Zusammensetzung und Größe der Wintergemeinschaften

Die bis zu 60 m hohe kluftartige Hohlsteinhöhle mit zahlreichen nicht zugänglichen oder nicht einsehbaren Spalten ist nur eingeschränkt kontrollierbar. Dementsprechend dominiert in den optisch zählbaren Wintergemeinschaften das zumindest zeitweilig frei hängende Große Mausohr. In den kleineren, besser kontrollierbaren Winterquartieren Kellerloch und Lukenloch werden bei insgesamt deutlich geringerer Individuenzahl auch die anderen überwinternden Fledermausarten besser erfasst.

Zusammenfassung

Die Bedeutung der bekannten Höhlenbildungen im Bereich von Teutoburger Wald und Egge für überwinternde Fledermäuse ist weitaus größer, als bisher angenommen.

  • Die festgestellten Größenordnungen der Wintergemeinschaften entsprechen nach der Depressionsphase der Bestände zwischen 1960 und 1980 inzwischen wieder den Zuständen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
  • Die Analyse der Zusammensetzung der Schwärmgemeinschaften und die ermittelten Größenordnungen deuten daraufhin, dass bei den optischen Kontrollen in den Winterquartieren die Individuenzahl der kleineren Myotis-Arten drastisch unterschätzt wird.
  • In der Hohlsteinhöhle ist die ermittelte Zahl überwinternder Großer Mausohren stark abhängig vom Erfassungszeitpunkt im Winterverlauf. Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen für Effizienzkontrollen und die Abschätzung der lokalen Population.
  • Bezogen auf Schätzwerte für den Winterbestand des Großen Mausohres in NRW beherbergt die Hohlsteinhöhle annähernd 50 % des Winterbestandes von NRW.

 

Bedeutung der Winterquartiere zu den Schwärmzeiten der Fledermäuse

 

Die Kenntnis geeigneter Winterquartiere ist für Fledermäuse überlebenswichtig. Im Frühjahr und im Herbst bilden sie im Umfeld der späteren Winterquartiere auffällige Schwärmgemeinschaften, die in Abhängigkeit von der Güte und Größe des Quartieres sehr hohe Individuenzahlen erreichen können.

Hierbei erfolgen auch immer wieder Einflüge in das Quartier - quasi als Rückversicherung, dass es noch vorhanden ist und für den kommenden Winter bereit steht.Die akustisch (zumindest für Fledermäuse) sehr auffälligen Schwärmgemeinschaften dienen zugleich der Weitergabe der Information zur Lage geeigneter Quartiere, z.B. für die Jungtiere des jeweiligen Jahres, aber auch zur Partnerfindung.

Zur Bestimmung der Zusammensetzung der Schwärmgemeinschaften wurden im Jahr 2011 an den lippischen Höhlen, aber auch im Umfeld für den Menschen nicht kontrollierbarer Spalten insgesamt 26 Netzfänge durchführt. Die gefangenen Fledermäuse wurden unter Beachtung artenschutzrechtlicher Erfordernisse schonend mit Nagellack an den Krallen farbig markiert und umgehend wieder freigelassen. Bei Wiederfängen konnte so eine Zuordnung zur Fangnacht und zum Fangort erfolgen.

Phänologie der herbstlichen Schwärmphase

Auf die Schwärmzeit der Bartfledermäuse in der ersten Augusthälfte folgt die Schwärmphase der Wasserfledermäuse, bis dann im September das Schwärmgeschehen von der Fransenfledermaus bestimmt wird. Mit Werten zwischen 15 und 40 % je Fangnacht hat das Große Mausohr eine zeitlich weit ausgedehnte Schwärmphase, die von August bis mindestens Ende September dauert. Da im Oktober keine Netzfänge durchgeführt wurden, kann eine Ausdehnung der Schwärmzeit in Richtung Winter nicht ausgeschlossen werden.

Größe der Schwärmpopulationen

Insgesamt wurden in 26 Fangnächten an 5 verschiedenen Standorten 3082 Fledermäuse von acht verschiedenen Arten gefangen.

Die Fangzahlen an nicht kontrollierbaren Winterquartieren (Sonnenloch 276 und Silberort 714 Tiere in 3 Fangnächten) geben eine Ahnung von der potentiellen Bedeutung dieser Strukturen als Winterquartier. Für den Menschen nicht kontrollierbare Spalten in geologischen Aufschlüssen oder Steinbrüchen haben eine völlig unterschätzte Bedeutung als Winterquartier. Gemessen an der Zahl der schwärmenden Fledermäuse dürften z.B. am Steinbruch Silberort mit der Hohlsteinhöhle vergleichbare Größenordnungen überwinternder Fledermäuse erreicht werden.

Austausch zwischen den Schwärmpopulationen

Die mit 3,08 % sehr geringe Wiederfangrate in derselben Fangnacht am Fangort könnte durch einen sehr schnellen Austausch der anwesenden Fledermäuse, durch Lerneffekte oder durch die Größe der Schwärmpopulationen und einer entsprechend geringen Wiederfang-Wahrscheinlichkeit begründet sein.

  • Lediglich 0,44 % (= 14 Tiere) aller gefangenen Fledermäuse konnten an zwei oder mehreren Schwärmorten gefangen werden.
  • Selbst zwischen nur 175 m auseinander liegenden Schwärmbereichen konnten nur 10 Fledermäuse (von insgesamt 2134 vor beiden Quartieren gefangenen Tieren) in beiden Schwärmpopulationen nachgewiesen werden.

Schlussfolgerungen

  • Auch während der Schwärmphasen im Frühjahr und Herbst finden Einflüge und Übertagungen in den potentiellen Winterquartieren statt.
  • Die minimale Größe der Schwärmpopulationen lag weit über der Größenordnung der bisher bekannten Winterpopulationen. Die Artenzusammensetzung deutet zugleich darauf hin, dass bei den Winterkontrollen nur ein Teil der realen Wintergemeinschaft erfasst wird.
  • Aus dem Fehlen sichtbarer Fledermäusen kann nicht abgeleitet werden, dass keine Fledermäuse in den Quartieren anwesend sind, da sie sich möglicherweise in nicht kontrollierbaren Spalten aufhalten. Abseits der großen Konzentrationsphasen einzelner Arten während des Winters kann so der falsche Eindruck entstehen, das Quartier sei leer.
  • Die Bedeutung der Spalten in natürlichen und anthropogenen Felsstrukturen im Untersuchungsraum für Fledermäuse wurde bislang  unterschätzt. Diese für den Menschen nicht zugänglichen Strukturen können in ihrer Bedeutung durchaus den großen Höhlenbildungen der Region entsprechen.

Publikationen

Seit Dezember 2012 liegt der Projektbericht den fördernden Stiftungen vor. Auszüge wurden im November 2012 in den Lippischen Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde des Naturwissenschaftlichen Vereines für das Land Lippe  und im Jahr 2013  im 51. Jahresband des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgegendveröffentlicht. 

 

  • Füller, M., A. Becker, A. Fölling und R. Reifenrath (2012): Die Höhlen im lippischen Eggevorland als Winterquartier für Fledermäuse. Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 81, S. 258-283.
  • Fölling, A., Reifenrath, R., Becker, A., Füller, M. (2013): Zur Bedeutung der Höhlen im lippischen Eggevorland als Schwärmquartiere für Fledermäuse. Ber. Naturwiss. Verein für Bielefeld u. Umgegend 51, S. 142-155.

 

Danksagung

Wir danken der Stiftung für die Natur Ravensberg und der Kurt-Lange-Stiftung für die großzügige Finanzierung unseres Forschungsprojektes, dem Landesverband Lippe, insbesondere Herrn Forstdirektor Hans-Ulrich Braun und dem Kreis Lippe für die Erlaubnis die Untersuchungen durch führen zu dürfen, den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Höhle und Karst in Lippe (AGHKL), insbesondere Uwe Feiert und Bernd Thesing, für vielfältige Unterstützung und den zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitern, die uns bei der Abwicklung des Projektes tatkräftig unterstützen.

 

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