Der Biber lebt wieder in Lippe

Erster Nachweis im lippischen Südosten seit über 200 Jahren

Zum Glück hatte Jannis Köllermeier seine neue Kamera griffbereit, als er mit seiner Familie Ende Juni 2020 an der Emmer spazieren ging. Ein Säugetier, in der Emmer schwimmend und tauchend…da geht die Vermutung zunächst in Richtung Bisam oder Nutria, zumal diese von dieser Stelle bereits bekannt waren.

Doch zum Glück haben Köllermeiers genauer hingeschaut. Der ganze Körperbau wirkte eher gedrungen und plump. Der Schwanz sah breit und flach aus und wurde buchstäblich hinterhergeschleppt. Und das gezielte Abbeißen von Weidenzweigen am Ufer, die dann ins Wasser gezogen wurden – das musste einfach ein Biber sein! Genauer gesagt: der erste lippische Biber seit etwa 1825!

Seitdem sind Mitarbeiter der Biologischen Station regelmäßig auf der Spurensuche.

Eine ausgestorbene Art kehrt zurück

Ursprünglich dürften in Deutschland mehrere hunderttausend Biber gelebt haben. Zahlreiche Orts- und Gewässernamen geben Hinweise auf ehemalige Bibervorkommen, z.B. Bevern, Beberstedt, Beverbach, oder einfach Bewer. Biber wurden intensiv bejagt, sowohl wegen des Pelzes als auch des schmackhaften Fleisches wegen. Besonders begehrt waren die „Biberkelle“ (der kräftige, abgeflachte Schwanz) und das „Bibergeil“, ein Drüsensekret, welches als Allheilmittel und Parfümzusatz diente. Durch die fortschreitenden Flussbegradigungen wurde zudem der Lebensraum zerstört, so dass der Biber in Deutschland bereits im 19. Jahrhundert fast ausgestorben war.  Nur eine kleine Population überlebte an der Mittelelbe. Diese „Elbebiber” bildeten den Grundstock für zahlreiche Wiederansiedlungsprojekte.Seit einigen Jahrzehnten erobern Biber aber auch aus eigener Kraft verlorenes Terrain zurück. Meist sind es Jungbiber, die sich auf die Wanderschaft begeben. Aktuell schätzt man den Bestand in Deutschland auf fast 30.000 Individuen. In Nordrhein-Westfalen wurden zuerst Nordeifel und Niederrhein wieder besiedelt. Inzwischen ist der Biber auch in Ostwestfalen angekommen und breitet sich auch hier weiter aus.

Auch Lippe war einst Biberland

Im Mittelalter waren Biber in Lippe verbreitet. H. Schmidt erwähnt in seiner „Lippischen Wald- und Siedlungsgeschichte“, dass 1468 bei Blomberg Biber gefangen wurden, deren Schwänze ein Leckerbissen für die herrschaftliche Küche waren. Auch der Beberbach bei Bösingfeld und vor 300 Jahre als „Beverhöller“ benannte Weseraltwässer bei Stemmen weisen auf die Anwesenheit des Großnagers hin. 1892 und 1994 wurden zudem Biberskelette bei Bauarbeiten bei Oerlinghausen gefunden. Am längsten haben sich Biber wahrscheinlich südlich des Teutoburger Waldes gehalten. In einer Beschreibung des Amtes Lipperode erwähnt von DONOP (1790) „Schon hier im Lippeschen wird er (der Lippefluß) von Biebern bewohnt“. Diese Gegend beherbergte noch Anfang des 19. Jahrhunderts Biber. Um 1825 war der Biberbestand in Lippe ausgerottet.

2021  -  Reproduktionsnachweis an der Emmer

Im diesem Jahr verdichteten sich die Hinweise auf eine dauerhafte Anwesenheit der Biber an der Emmer. Vermehrt wurden Spuren ihrer Anwesenheit festgestellt. Nicht nur Verbiss an Weiden, sondern auch Fußspuren, Kot und der vonm Hochwasserwellen schnell wieder vereitelte Versuch einen Damm in der Emmer zu bauen. Das war aber auch gar nicht notwendig. Im Winterhalbjahr wurde nicht nur die Biberburg entdeckt sondern auch der Nachweise für eine erfolgreiche Reproduktion erbracht. 2 Jungtiere wurden von Wildkameras erfasst. Offensichtlich hat sich hier ein Biberpaar ein gutes Revier ausgesucht.

2022  -  erneuter Bibernachwuchs an der Emmer

Mit Hilfe von Wildkameras konnten im Sommer 2022 im Umfeld der Biberburg an der Emmer insgesamt drei Jungtiere nachgewiesen werden. Die jungen Biber sind aufgrund ihrer Körpergröße gut von den Elterntieren zu unterscheiden. Vermutlich wegen des erhöhten Platzbedarfes wurde auch die Biberburg ausgebaut und vergrößert. Das vorwiegend aus Weidenästen bestehende Baumaterial wird schwimmend transportiert und anschließend an Land gezogen. Neben Ästen benutzen die Biber auch Schlamm und Wasserpflanzen, um die Burg abzudichten. Bei den Bibern helfen die vorjährigen Jungtiere noch bei der Versorgung ihrer jüngeren Geschwister, bevor sie sich im kommenden Winter ihr eigenes Revier suchen müssen. Das bedeutet, dass sich derzeit vermutlich 7 Biber im Umfeld der Burg aufhalten.

Ein kurzer biologischer Steckbrief

Biber können eine Körperlänge von bis zu 135 Zentimetern und 25 bis 36 Kilogramm Körpergewicht erreichen. Ihr Fell ist braun und extrem dicht, so dass die auch im Winter unter der Eisdecke aktiven Biber vor Kälte gut geschützt sind. Typisch ist der abgeplattete Schwanz. Bei Gefahr wird dieser lautstark auf die Wasseroberfläche geschlagen, um Familienmitglieder zu warnen. Bei der an unseren Gewässern heute weit verbreiteten Nutria ist der Schwanz hingegen drehrund.

Biber sind monogame Lebewesen mit ausgeprägtem „Familiensinn“. In einer Familie leben üblicherweise das Elternpärchen und zwei weitere Generationen. Die Familienstrukturen erinnern somit an die der Wölfe. Das Territorium eines Familienverbandes wird verteidigt und abgegrenzt. Hierzu dient ein Sekret, das als Bibergeil oder Castoreum bekannt ist. Mit dieser fetthaltigen, baldrianartig riechenden Flüssigkeit pflegen Biber auch ihr Fell.

Biber gestalten die Landschaft. Durch Dämme können sie Bäche und kleine Flüsse aufstauen. Somit entstehen ruhige Gewässerzonen, in denen der Bieber seine Burgen bauen kann. Zugleich schafft er damit für viele Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. In seinem Gefolge besiedeln oft seltene Tiere wie Fischotter, Eisvögel, Schwarzstörche, Wasserspitzmäuse, Libellen und seltene Amphibienarten die Auenlandschaft. Die meisten Fließgewässer sind durch den Menschen ihrer ursprünglichen Dynamik beraubt worden. Biber schaffen wieder dynamische Auen, in denen sich nasse und trockene Bereiche abwechseln. Diese Dynamik ist überlebenswichtig für viele bedrohte Tierarten. Wo Biber Bäume fällen, entstehen totholzreiche Lichtungen – ein idealer Lebensraum für viele Insekten und Käfer, aber auch für lichthungrige Pflanzenarten. Da dank der Staudämme Hochwasser abgemildert werden, profitiert auch der Mensch vom Biber.

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